7. Jul, 2021Export-See, Import-See

Die ägyptische Suezkanalbehörde teilte am vergangenen Sonntag mit, dass am Mittwoch, den 7.Juli 2021 eine Einigung mit dem Schiffseigner des Containerschiffes „Ever Given“ unterzeichnet werden soll und noch am gleichen Tag die Weiterfahrt des Schiffes in Richtung Europa geplant ist. Aus der Ankündigung ist inzwischen Realität geworden. Die “Ever Given” hat am 7.Juli 2021 um ca. 12:00 Uhr den Liegeplatz im “Großen Bittersee” verlassen und um 17:30 Uhr den Nordausgang des Suezkanal erreicht. Das Schiff befindet sich derzeit im östlichen Mittelmeer und nimmt nunmehr mit fast 4-monatiger Verspätung Kurs auf die Häfen in Nordwest-Europa.

Die 400 Meter lange „Ever Given“ hatte sich am 23. März auf dem Weg von Asien nach Europa  während eines Sandsturms im Suezkanal quer gestellt und über sechs Tage die wichtige Handelsroute versperrt. Über 400 Schiffe stauten sich an beiden Seiten des Kanals. Die Verwaltung des Suezkanals hatte das Schiff beschlagnahmt, während sie mit dem Eigentümer, der japanischen Firma Shoei Kisen Kaisha, über eine Entschädigung für entgangene Einnahmen und die Erstattung der Kosten für das Freischleppen verhandelte.

Nach Angaben der Kanalbehörde entgingen Ägypten wegen der Blockade pro Tag Einnahmen zwischen zwölf und 15 Millionen Dollar. Zunächst forderte Ägypten von dem japanischen Besitzer Shoei Kisen einen Schadenersatz in Höhe von 900 Mio. US Dollar und senkte die Forderung zuletzt auf 550 Mio. US Dollar. Über die Höhe des vereinbarten Schadenersatz ist bislang nichts bekannt.

Bereits Anfang April hatte der Schiffseigner die große (gemeinschaftliche) Haverei bzw. verkehrssprachlich Havarie-grosse  (engl. general average)  erklärt. Havarie-grosse  regelt im Grundsatz die Verteilung von außergewöhnlichen Kosten zwischen Schiff und Ladung, die durch eine Rettung aus gemeinsamer Gefahr anfallen. Diese Kosten entstehen entweder direkt durch Aufwendungen (z.B. Schlepplohn) oder anlässlich bewusst mit Rettungsmaßnahmen durch die Schiffsführung herbeigeführter oder geduldeter Schäden am Schiff und/oder seiner Ladung (z.B. Seewurf von Decksladung). Der Havarie-grosse liegt der in seinen Grundzügen bis in die Antike zurück reichende Rechtsgedanke der Gefahrengemeinschaft zugrunde, bei der außergewöhnliche Aufwendungen und Opfer zur Abwendung einer allen Beteiligten einer Seereise drohenden Gefahr auch von allen gemeinsam getragen werden müssen und nicht nur vom zufällig unmittelbar Betroffenen allein.

Liegen alle Voraussetzungen eines Havarie-grosse-Falles vor, müssen die durch Aufopferung entstandenen Schäden ermittelt und auf die Beteiligten im Verhältnis ihrer geretteten Werte aufgeteilt werden. Nach seiner Bestellung benachrichtigt der Dispacheur sämtliche  Ladungsbeteiligte von der Havarie-grosse-Erklärung des Schiffes und fordert sie zur Abgabe eines „Havarie-grosse-Verpflichtungsscheines“ („General Average Bond“) auf. Mit diesem verpflichtet sich ein Ladungsbeteiligter zur Zahlung seiner Havarie-grosse-Beiträge. Da dem Reeder diesbezüglich ein Pfandrecht an der Ladung zusteht, wird er sie erst freigeben, wenn er dafür wenigstens diesen als Ersatzsicherheit gezeichnet bekommen hat.

Das Beispiel „Ever Given“ zeigt, dass jeder Seetransport die Gefahr der Havarie-Grosse birgt.  Es empfiehlt sich daher unbedingt der Abschluss einer Warentransportversicherung. Besteht eine Transportversicherung, verpflichten sich die Versicherungsgesellschaften per Havarie-grosse-Verpflichtungsschein (Average Guarantee) zur späteren Zahlung.

Die genauen Ankunftstermine der „Ever Given“ in den europäischen Häfen stehen derzeit noch nicht fest. Die NAVIS wird die Kunden darüber rechtzeitig informieren.