Die EU-Kommission hat am 17. Mai 2023 Vorschläge für eine Reform des Zollkodex der Union (COM(2023) 258 final) veröffentlicht. Diese Vorschläge wurden zwischenzeitlich  zur Zustimmung an das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union und zur Konsultation an den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss übermittelt. Mit der Reform will die EU-Kommission der Herausforderung gerecht werden, dass die EU-Zollbehörden mit einem gewaltigen Anstieg des Handelsvolumens – insbesondere aufgrund des elektronischen Handels – konfrontiert sind und gleichzeitig die Einhaltung einer wachsenden Zahl von EU-Normen an der Grenze geprüft werden müssen. Hinzu kommen Herausforderungen im Zusammenhang mit den sich verändernden geopolitischen Herausforderungen (z.B. Durchsetzung von Sanktionen). 

Künftig sollen importierende Unternehmen alle Informationen über ihre Produkte und Lieferketten in eine einzige Online-Umgebung einspeisen können: die neue EU-Zolldatenplattform. Darüber sollen die EU-Zollbehörden einen vollständigen Überblick über die Lieferketten und den Warenverkehr erhalten. Unternehmen müssen bei der Übermittlung ihrer Zollinformationen nur mit einem einzigen Portal kommunizieren und die Daten für mehrere Sendungen lediglich einmal übermitteln. In bestimmten Fällen, in denen die Geschäftsabläufe und Lieferketten vollkommen transparent sind, können die vertrauenswürdigsten Händler („Trust & Check“-Händler) ihre Waren ohne aktives Tätigwerden der Zollbehörden in der EU in den Verkehr bringen. Die Kategorie „Trust & Check“ soll das bereits bestehende Programm für zugelassene Wirtschaftsbeteiligte (AEO) für vertrauenswürdige Händler stärken.

Die Datenplattform soll ab 2028 für Sendungen des elektronischen Handels und ab 2032 (auf freiwilliger Basis) für alle anderen Einführer zur Verfügung stehen und unmittelbare Vorteile und Vereinfachungen mit sich bringen. „Trust & Check“-Händler können alle ihre Einfuhren bei den Zollbehörden des Mitgliedstaats, in dem sie ansässig sind, abfertigen, unabhängig davon, wo die Waren in der EU eintreffen. Im Jahr 2035 soll geprüft werden, ob diese Möglichkeit auf alle Wirtschaftsbeteiligen ausgeweitet werden kann, wenn die Plattform ab 2038 für alle verpflichtend wird.

Der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik hat die möglichen Auswirkungen der geplanten Reform der EU-Zollunion für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie für Speditionen und Logistikdienstleister untersucht und dazu am 06.06.2024 eine Stellungnahme veröffentlicht:

Der Verordnungsvorschlag zur Reform des Unionszollkodex überträgt Importeuren und Exporteuren nach dem „Alles aus einer Hand-Prinzip“ die Verantwortung für die Einhaltung steuerlicher und nicht fiskalischer Compliance-Vorschriften. Sind diese nicht in der EU ansässig, sollen Spediteure und Logistikdienstleister deren Pflichten als indirekte Vertreter übernehmen und gelten damit als Einführer bzw. Ausführer. Der neue Status eines geprüften vertrauenswürdigen Wirtschaftsbeteiligten (T&C) ist grundsätzlich Importeuren und Exporteuren vorbehalten.

Logistikunternehmen können den Status nur als indirekte Vertreter erlangen, direkte Zollvertreter sollen die Vorteile des T&C-Status nur nutzen können, wenn ihr Kunde T&C ist. Die nicht nachvollziehbare Abschaffung des Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten für zollrechtliche Vereinfachungen (AEOC) und der Übergang zum T&C-Regime verfolgt einen „alles oder nichts“-Ansatz: Unternehmen, die nicht T&C sind, werden kaum noch Vorteile gewährt, was sich besonders nachteilig auswirken wird für Speditionen und Logistikdienstleister sowie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).

Der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik ist äußerst besorgt über diese Eckpunkte der Reform, aus der nicht nur die Logistikbranche, sondern auch KMU als Verlierer hervorgehen werden. Laut einem Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs (13/2023: Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte) hatten im Jahr 2022 EU-weit 18.210 Unternehmen die Zertifizierung als Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte, von denen 74 Prozent an den gesamten EU-Einfuhren und 83 Prozent an den gesamten EU-Ausfuhren beteiligt waren. Circa 80 Prozent der Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten sind Speditionen und Logistikunternehmen, die in direkter Stellvertretung (97 Prozent) oder in indirekter Stellvertretung (3 Prozent) die Zollabfertigung für ihre Kunden aus Industrie und Handel vornehmen.

Die überwiegende Mehrheit der Einführer und Ausführer sind heute keine AEO, und im Falle von KMU sind viele von ihnen nicht einmal in der Lage, die Bedingungen für den Status eines Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten zu erfüllen, geschweige denn die Voraussetzungen für den T&C-Status. Ohne die Rolle der Zollvertreter und die ihnen und ihren Kunden zur Verfügung stehenden Erleichterungen beizubehalten, wird der Ersatz des AEO-Systems nicht funktionieren, da nur sehr wenige Unternehmen in der Lage sein werden, sich für den neuen T&C-Status und die damit verbundenen Erleichterungen zu qualifizieren, so dass die Mehrheit der Unternehmen weniger Erleichterungen haben wird als heute.

Es ist davon auszugehen, dass viele Zollvertreter aufgrund der Haftung für nicht fiskalische Compliance-Vorschriften und der damit verbundenen Risiken keine indirekte Stellvertretung anbieten werden. Somit wird manchen Einführern kein indirekter Vertreter zur Verfügung stehen und damit kein Import stattfinden. Gleiches gilt für den eCommerce-Bereich: Handelsplattformen sollen laut Kommissionsvorschlag als „fiktive Einführer“ gelten; in den Fällen, in denen sie nicht in der EU ansässig sind, sollen Speditionen und Logistikdienstleister als indirekter Vertreter die Verantwortung übernehmen. Es mutet geradezu absurd an, dass Spediteure und Logistikdienstleister, die in den meisten Fällen selbst KMU sind, das nicht fiskalische Risiko und die Haftung für teils milliardenschwere drittländische eCommerce-Plattformen übernehmen sollen, nur weil diese keine Niederlassung in der EU haben.

Die vollständige Stellungnahme des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik zur Reform der EU-Zollunion können Sie hier nachlesen.