1. Jun, 2023Land-Verkehre

Diese NAVIS AKTUELL – Information wird laufend aktualisiert.

Die durch menschliche Aktivitäten weltweit verursachten Treibhausgas-Emissionen sind bislang für eine Erwärmung der Erdatmosphäre von etwa 1,2 °C seit Beginn des 20. Jahrhunderts verantwortlich. Ursächlich hierfür sind vor allem die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas, die Abholzung von Wäldern sowie die Landwirtschaft. Treibhausgas-Emissionen sind ein entscheidender Faktor für den Klimawandel und den daraus resultierenden gravierenden Folgen für das Leben auf unserem Globus.

 

1.) Anteil des Straßengüterverkehrs an den Treibhausgas-Emissionen in der EU:  

In der EU verursacht der gesamte Straßenverkehr rund 26 % aller Treibhausgas-Emissionen. Rund 784 Millionen Tonnen CO2 wurden 2019 im EU-weiten Straßenverkehr ausgestoßen. Pkw und Motorräder verursachten davon mit 62 % den größten Teil der CO2-Emissionen. Auf Schwerlastwagen, Busse und leichte Nutzfahrzeuge entfielen 38 %. Somit waren der Straßen-Güterverkehr und Busse in 2020 für knapp 8 % der gesamten Treibhausgas-Emissionen der EU verantwortlich.

Als europäischen Beitrag zum weltweiten Klimaschutz wollen die 27 EU-Mitgliedstaaten mit dem Green Deal bis 2050 klimaneutral werden. In einem ersten Schritt sollen die Treibhausgas-Emissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 sinken. Dafür braucht es auch im Straßengüterverkehr viele Anstrengungen und Veränderungen zum Klimaschutz.

 

2.) EU-Kommissionsvorschlag vom 14.02.2023 über CO2-Grenzwerte für Lkw-Flotten bis 2040:

Am 14.02.2023 hat die EU-Kommission neue Vorschläge für C02-Grenzwerte für neue schwere Nutzfahrzeuge vorgestellt. Nach den Plänen der Kommission sollen ab dem Jahr 2040 neu zugelassene schwere Lkw 90 Prozent weniger Kohlendioxid emittieren als 2019. Bis 2030 soll bereits ein Minderungswert von 45 Prozent erreicht werden, der bis 2035 auf 65 Prozent steigen soll. Einen Anrechnungsmechanismus für alternative Kraftstoffe sieht der am 14.02.2023 vorgelegte Verordnungsvorschlag nicht vor.

 

EU muss sämtliche Optionen zur Emissions-Senkung ausschöpfen:

Aus Sicht des Bundesverbandes Spedition und Logistik (DSLV) werden Nutzfahrzeugflotten mit Verbrennermotoren sukzessive verdrängt – eine klare Abkehr vom Prinzip der Technologieneutralität. Hierzu DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster: „Für die Wende zur CO2-freien Logistik erhöht die Kommission den Druck auf Mitgliedstaaten und Wirtschaft. Mit ihrem ambitionierten Verordnungsvorschlag schafft die Brüsseler Behörde zwar Planungsleitplanken für den Straßengüterverkehrssektor, gleichzeitig verbaut sie aber Alternativen zur Emissionsreduzierung.“ Speditionen und Logistikdienstleister tragen durch konstante Prozessoptimierungen und die verkehrsträgerübergreifende Organisation effizienter Lieferketten längst zur Emissionsvermeidung bei. Hierfür setzen sie die beste verfügbare Technologie ein. Aus der Perspektive der Logistik sind für den Betrieb von Lkw-Flotten neben dem echten Umweltvorteil und den Total Costs of Ownership das Vorhandensein flächendeckender europäischer Auflade- und Betankungsinfrastrukturen für grüne Energie entscheidend – völlig unabhängig von der dahinterstehenden Antriebstechnologie.

„Wenn die europäischen CO2-Minderungsziele Realität werden sollen, müssen Kommission, EU-Parlament und -Rat die Wechselwirkungen ihrer Entscheidungen im Auge behalten. Die Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte für Nutzfahrzeuge muss zwingend mit dem Ausbauhochlauf für ein leistungsfähiges Lkw-Ladenetz in sämtlichen Mitgliedstaaten synchronisiert werden. Brüssel muss deshalb konsequent die Vorgaben der EU-Verordnung über Infrastrukturen für alternative Kraftstoffe (AFIR) durchsetzen. Gleichzeitig müssen Förderproramme für die Anschaffung alternativ angetriebener Nutzfahrzeuge und für den Aufbau der korrespondierenden Betankungsmöglichkeiten deutlich ausgeweitet werden“, fordert Huster. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die überwiegende Mehrheit der Fahrzeuge im gewerblichen Straßengüterverkehr heute nicht an öffentlichen Tankstellen betankt wird, sondern im nicht-öffentlichen Sektor, d. h. an Abgabestellen auf Betriebshöfen. Für die ökologische Wende des Straßengüterverkehr wird es deshalb entscheiden sein, ob es gelingt, den privaten Sektor wie Güterverkehrszentren, Terminals, Logistik-Hubs, Warenlager, Umschlaganlagen und Häfen nicht nur mit Ladepunkten für alternative Antriebe um-, bzw. auszurüsten, sondern auch an stabile Energie- Versorgungsnetze anzuschließen.

Für die Zeit bis zur endgültigen Abwicklung des Verbrennermotors im Jahr 2040 muss Deutschland dem Vorbild vieler europäischer Nachbarstaaten folgen und alternative Kraftstoffe wie HVO100 gesetzlich zulassen, wodurch Diesel-Bestandsflotten weitgehend CO2-neutral betrieben werden können. Auch der Einsatz von eFuels bietet nach wie vor CO2-Minderungspotential. Huster: „Die Wirtschaftsprognosen sind verhalten optimistisch, das heißt, dass das Güterverkehrsmengenwachstum nicht abreißen wird. Um diesen Trend ökologisch kompensieren zu können, kommt es am Ende darauf an, sämtliche Optionen zur Emissionsreduzierung auszuschöpfen. Hierzu gehören auch Verlagerungsanreize und massive Investitionen in die Infrastruktur der Systeme Schiene und Wasserstraßen, ohne den Hauptlastträger des Güterverkehrs, das Straßennetz, zu vernachlässigen. Denn auch wasserstoff- und elektrisch betrieben Lkw benötigen eine ausgebaute Infrastruktur.“

 

4.) Neue Lkw-Antriebs-Technologien:

Derzeit sind alle namhaften Nutzfahrzeughersteller dabei, alternative Lkw-Antriebs-Technologien alltagstauglich auf den Markt zu bringen und den Lkw-Transportunternehmen anzubieten. Eine Studie, die kürzlich auf dem Portal Frontiers veröffentlicht wurde, hat die Strategien einiger europäischer Länder analysiert und zeigt auf, welche Antriebsform im LKW-Verkehr die Zukunft dominieren könnte.

 

4.1.) E-Lkw: 

Aus der Studie geht hervor, dass sich offenbar viele Länder auf den Einsatz von batterie-elektrischen Lkw vorbereiten. Bis 2030 könnte die Zahl der E-Lkw auf über 1,2 Millionen steigen, wobei dabei vorwiegend leichte Nutzfahrzeuge eine Rolle spielen.

 

4.2.) Brennstoffzellen-Lkw:

Brennstoffzellen-Lkw werden in der Studie vorerst keine große Zukunft vorausgesagt, gerade einmal 10.000 Exemplare sollen laut der Erhebung bis 2030 auf dem Markt sein. Auch die Schätzungen zur Entwicklung der Zahl der öffentlichen Tankstellen lassen vorerst keinen Hochlauf der H2-Technologie vermuten. Nur wenige EU-Länder haben bislang konkrete Schätzungen zu H2-Lkw abgegeben. 

 

4.3.) Wasserstoff-Verbrennungsmotoren in Lkw:

Lkw mit Verbrennungsmotoren, die mit Wasserstoff betrieben werden, gelten nach der aktuellen CO₂-Flottengrenzwertverordnung der EU genauso als Nullemissionsfahrzeuge (ZEV – Zero Emission Vehicles) wie batterieelektrisch oder über Brennstoffzellen angetriebene Lkw. Die EU-Kommission will bei der Neufassung der CO₂-Normen für schwere Nutzfahrzeuge festschreiben, dass dies auf Dauer so bleiben soll. Verbrennungsmotoren hätten dann bei Lkw – anders als bei Pkw und Vans – in der EU also weiter eine Zukunft. Ändern will die Kommission allerdings die Definition für Nullemissionsfahrzeuge. Müssen diese derzeit einen Grenzwert von 1 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde unterschreiten, soll die Grenze für Lkw künftig bei 5 Gramm pro Tonnenkilometer liegen. Darüber dürfte im EU-Gesetzgebungsverfahren noch ausgiebig gestritten werden.

Der Lkw-Hersteller Volvo präsentierte bei einer Veranstaltung in Brüssel den Prototyp eines Lkw mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Das bei Renault in Lyon entwickelte Fahrzeug hat ein Gesamtgewicht von 19 Tonnen, was den Transport von 9 Tonnen Fracht erlaube, verfügt über eine Kraft von 280 PS und fünf Wasserstofftanks, die bei 350 Bar etwa 1.200 Liter fassen. Das ermögliche bei typischen städtischen Liefertouren eine Reichweite von rund 300 Kilometern. Könne der Wasserstoff mit 700 Bar Druck getankt werden, erhöhe sich die Reichweite auf 500 Kilometer. Volvo arbeitet auch an einem Lkw mit Wasserstoff-Verbrenner für den Langstreckenverkehr. Wann die Fahrzeuge marktreif sind, lasse sich noch nicht sagen.

Auch der Hersteller DAF hat bereits Prototypen von Lkw mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor entwickelt. Bei den Niederländern sieht man einen Vorteil im geringeren Bedarf an knappen Rohstoffen. Man sei nicht von Lithium-Lieferungen abhängig wie beim Bau von batterieelektrischen Lkw und nicht von Platin, Nickel und Kobalt, wie bei Brennstoffzellenfahrzeugen.

Wasserstoff-Verbrennungsmotoren in Lkw sind in der Anschaffung ca. 50 Prozent teurer als ein Diesel-Lkw, aber gut 50 Prozent günstiger als ein Brennstoffzellenfahrzeug und damit eine günstige Null-Emissions-Alternative für Transportunternehmen. Allerdings meinen Experten, dass ein Brennstoffzellenfahrzeug nach fünf bis sieben Jahren wegen seiner besseren Energieeffizienz günstiger sein wird. Der Lkw-Hersteller Volvo weist darauf hin, dass ein Wasserstoff-Verbrenner pro Kilometer über dreimal mehr Strom braucht als ein E-Lkw, wegen des hohen Strombedarfs für die Wasserstoffproduktion. Deshalb seien die Gesamtkosten für ein solches Fahrzeug auch höher als bei einem mit Batterie. Die Herstellungskosten seien allerdings geringer als bei E-Lkw.

 

4.4.) Erdgasbetriebe Lkw (CNG und LNG):

Im Schwerverkehr sollen gasbetriebene Lkw, vor allem mit CNG-Antrieb, einen großen Anteil der alternativ betriebenen Fahrzeuge ausmachen. CNG steht für „compressed natural gas“.  Nach den Schätzungen der Studie zufolge soll verflüssigtes Erdgas (LNG) vor allem ab dem Jahr 2025 immer relevanter werden. Allerdings stammen die jüngsten Daten der Studie vom 12. Februar des Jahres 2022, weshalb die Folgen des Ukraine-Krieges nicht mit einfließen konnten. Nach Studien des Umweltbundesamtes haben aber Flüssigerdgas-LKW kaum  Klimavorteile im Vergleich zum Diesel-Lkw. 

 

4.5.) Koalition einigte sich am 28.02.2023 auf die Zulassung von HVO 100 – Kraftstoffen:

Aus Regierungskreisen wurde am 28.02.2023 öffentlich, dass sich die Koalitionsparteien auf eine Erweiterung des Rechtsrahmens für die Zulassung von reinen Biokraftstoffen (Hydrotreated Vegetable Oils – HVO 100) verständigen konnten. Danach soll §4 der 10. Bundesimmissionsschutz-Verordnung entsprechend ergänzt werden, so dass eine Abgabe von HVO 100 nach DIN EN 15940 an öffentlichen Tankstellen und an Betriebstankstellen möglich wird. Über den Umsetzungszeitraum und den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung ist derzeit noch nichts bekannt.

Der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik hatte sich für eine alsbaldige Zulassung des aus biogenen Rest- und Abfallstoffen hergestellten Kraftstoffs in Deutschland eingesetzt, damit der Straßengüterverkehrssektor auch mit Bestandsflotten (Lkw mit Verbrennermotoren) zur CO2‑Reduzierung beitragen kann. In einem Positionspapier hat der DSLV als Teil einer breiten Allianz aus Verbänden und Unternehmen deutlich gemacht, dass

  • ein schneller, kostengünstiger und unmittelbarer Beitrag zur Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs ohne nennenswerte zusätzliche Investitionen möglich ist
  • keine Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion entsteht
  • die technische Weiterentwicklung alternativer Antriebsarten und deren Ladeinfrastruktur (batterieelektrisch und Wasserstoff) damit nicht in Frage gestellt wird.

Damit wird eine Forderung des DSLV nach „Ernte niedrig hängenden Früchte“ zur Reduzierung der CO2‑Emissionen voraussichtlich umgesetzt. Offen ist derzeit noch, welcher Abgabepreis sich für den Liter HVO bei entsprechendem Produktionshochlauf am Markt durchsetzen wird. Dies wird auch von der Besteuerung von HVO 100 abhängen. Ein Anrechnungsverfahren biogener Kraftstoffe bei der Lkw-Maut wird allgemein als rechtstechnisch schwierig bewertet

 

5.) Herausforderungen der Transportunternehmen bei der Umstellung auf E-Lkw:

Laut einer aktuellen Umfrage wollen 83 % der Lkw-Transportunternehmen in Europa ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge oder alternative Kraftstoffe umstellen. Treibende Kraft für den Übergang zu einer nachhaltigeren Flotte sind die Nachhaltigkeitsziele der Unternehmen und die Anforderungen der Kunden.

Die Umfrage hat jedoch auch vier zentrale Herausforderungen identifiziert, mit denen die Lkw-Unternehmen bei der Umstellung zu E-Lkw konfrontiert sind: Fehlende Ladestationen, zu geringe Reichweiten, das Gewicht der Batterien und bislang noch sehr hohe Kosten für E-Fahrzeuge im Vergleich zu den mit Diesel angetriebenen Lkw.

 

6.) Rahmenbedingungen für den Klimaschutz müssen stimmen:

Zusammenfassend können wir feststellen, dass sowohl die Nutzfahrzeugindustrie als auch die Lkw-Transporteure zunehmend Anstrengungen unternehmen, um klimaschonende Antriebe für Lkw zu entwickeln und auf die Straße zu bringen. Dazu müssen aber auch die Rahmenbedingungen wie z.B. ausreichende Ladestationen, verfügbarer grüner Strom und steuerliche Anreize für eine erfolgreiche Umstellung auf alternative Antriebe stimmen, damit die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele der EU möglichst schnell erreicht werden.