21. Juli, 2025Export-See, Import-See

Die Mitgliedstaaten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) haben am 11.04.2025 im Rahmen des Marine Environment Protection Committee (MEPC) vorläufig ein weltweit bindendes Klimaschutzabkommen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen (THG) im internationalen Seeverkehr gebilligt. Ziel ist es, spätestens bis 2050 die Nettoemissionen auf null zu senken – im Einklang mit dem 2023 verabschiedeten „IMO Net-Zero Framework“.

Die endgültige formelle Annahme des Abkommens ist nach einem Bericht des europäischen Spediteurs-Dachverband CLECAT für eine außerordentliche MEPC-Sitzung im Oktober 2025 vorgesehen, die Umsetzungsleitlinien sollen im Frühjahr 2026 verabschiedet werden. Die Maßnahmen sollen ab 2027 in Kraft treten, wobei der Beginn der Verpflichtungsperiode für 2028 vorgesehen ist.

 

Das vereinbarte Maßnahmenpaket umfasst zwei wesentliche Elemente:

1.) Globaler Treibstoffstandard (GHG Fuel Intensity Standard):

Alle Schiffe mit über 5.000 BRZ müssen schrittweise ihre jährliche Treibhausgasintensität (Greenhouse Gas Fuel Intensity – GFI) senken. Die Berechnung erfolgt auf Basis des sogenannten „Well-to-Wake“-Ansatzes, also unter Einbeziehung der gesamten Energiekette. Die Referenzwerte basieren auf den durchschnittlichen Emissionen des Jahres 2008. Es gelten zwei Zielniveaus: ein „Base Target“ als verpflichtender Mindeststandard und ein ambitionierteres „Direct Compliance Target“, das Anreize für frühzeitige Umstellung und technologische Führerschaft setzen soll. Eine Übersicht der Zielwerte für den Zeitraum 2028 bis 2035 ist hier verlinkt.

 

2.) Globale wirtschaftliche Instrument (Remedial Contribution System):

Schiffe, die über den GFI-Basiszielwert hinaus emittieren, müssen zum Ausgleich Sanierungseinheiten (380 $/Tonne CO2) erwerben, um ihre Defizitemissionen auszugleichen. Schiffe, die zwar das Basisziel erreichen, aber das ambitionierte Direktziel nicht erfüllen, müssen Sanierungseinheiten zu einem niedrigeren Preis (100 $/Tonne CO2) erwerben. Schiffe, die das ambitionierte Direktziel überschreiten, können überschüssige Einheiten („Surplus Units“) erwerben. Diese Einheiten können entweder für künftige Jahre genutzt, innerhalb einer Flotte gepoolt oder gehandelt werden können.

 

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Die aus diesen Maßnahmen generierten Einnahmen – laut einer Schätzung der UCL Shipping and Oceans Research Group zwischen 11 und 13 Milliarden USD jährlich in den ersten drei Jahren – sollen in einen zu errichtenden IMO Net-Zero Fund einfließen. Dieser Fonds soll emissionsarme Schiffe belohnen, Innovation, Infrastruktur und Forschung fördern, Schulungsmaßnahmen sowie Technologietransfer in Entwicklungsländern finanzieren und damit zur gerechten Transformation der maritimen Wirtschaft beitragen.

 

Erwartete Auswirkungen der vereinbarten Maßnahmen:

Das Abkommen gilt als historisch, da es sich um die weltweit ersten rechtlich bindenden Maßnahmen zur Reduktion von THG im internationalen Seeverkehr handelt. Dennoch wird es vielfach als unzureichend bewertet, um die im Netto-Null-Rahmen der IMO für 2023 festgelegten Ziele zu erreichen, geschweige denn das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens (von dem die internationale Schifffahrt ausgenommen war). Nach Angaben der UCL (siehe den beigefügten Bericht über die MEPC-Sitzung) wird das globale Einsparpotenzial der IMO-Maßnahmen bis 2030 lediglich auf etwa 10 % unter dem Niveau von 2008 geschätzt – mit einer Unsicherheit von ±2 %.

Positiv hervorgehoben wird hingegen die starke Signalwirkung zugunsten von emissionsfreien bzw. emissionsarmen Kraftstoffen (ZNZ), während LNG als zukünftige Kraftstofflösung durch die neuen Zielwerte de facto ausgeschlossen wird. Biofuels wird zwar ein kurzfristiges Potenzial attestiert, ihre langfristige Relevanz bleibt jedoch unsicher.

 

Bezug zur EU-Regulierung (FuelEU Maritime / ETS):

Inhaltlich zeigen sich Überschneidungen mit bestehenden EU-Instrumenten wie FuelEU Maritime, das ebenfalls eine schrittweise Reduktion der Treibhausgasintensität vorschreibt. Es besteht daher grundsätzlich die Möglichkeit, dass das IMO-Regelwerk mit dem europäischen Rahmen verschmilzt oder diesen ersetzt – vorausgesetzt, die globale Regelung ist ambitioniert genug, um die EU-Klimaziele zu erfüllen. Die Europäische Kommission begrüßte in einer Pressemitteilung das IMO-Abkommen als wichtigen Meilenstein und kündigte eine Bewertung der Auswirkungen auf ETS Maritime und FuelEU Maritime im Rahmen der regulären Überprüfungen 2026 bzw. 2027an. Ziel sei es, doppelte Belastungen für Reedereien und ihre Kunden zu vermeiden und gleichzeitig die ökologische Wirksamkeit zu sichern.

 

CLECAT-Ersteinschätzung und offene Fragen:

Der europäische Spediteurs-Dachverband CLECAT bewertet das Abkommen – insbesondere angesichts der schwierigen Verhandlungen und der zeitweisen Ausstiegsdrohung der USA – als wichtigen Fortschritt. Ein globales Regelwerk mindert zudem das Risiko von Ausweichstrategien („carbon leakage“) im Vergleich zu regionalen Maßnahmen.

Unklar bleibt aktuell, ob das IMO-Regime Regelungen zur Transparenz bei der Berechnung und Weitergabe von THG-bedingten Aufschlägen an Kunden enthalten wird – insbesondere im Hinblick auf Scope-3-Emissionen. Die bevorstehende Ausarbeitung der Umsetzungsrichtlinien könnte hier noch Klarheit bringen.

 

CLECAT will zeitnah ein Fachgespräch mit Vertreterinnen und Vertretern des World Shipping Council (WSC) sowie der Global Shippers’ Forum (GSF) organisieren, um die Auswirkungen des MEPC-Beschlusses auf Spediteure und Verlader weiter zu analysieren.